Letztes Jahr feierte das Grundgesetz am 23. Mai einen großen „runden“ Geburtstag: Es wurde 75 Jahre alt. Es gab viele feierliche Veranstaltungen und Diskussionen, Bücher und Beiträge zum Thema „Grundgesetz“ wurden veröffentlicht. Doch wieso feiern wird das Grundgesetz überhaupt? Wie kam Deutschland zu seiner Verfassung und wieso heißt die Verfassung eigentlich „Grundgesetz“?!
Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz in Bonn feierlich verkündet. Das heißt, dass diejenigen, die das Grundgesetz mühsam erarbeitet hatten – der Parlamentarische Rat –, sich auf den Inhalt und den Text geeinigt und in einer Abstimmung beschlossen hatten, dass das Grundgesetz von nun an in Deutschland gelten soll. Dadurch wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Der erste Bundeskanzler der neu gegründeten Bundesrepublik, Konrad Adenauer, unterzeichnete die erste Fassung des Grundgesetzes. Doch wie kam es eigentlich dazu?
Alles auf Anfang: Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg
1945, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, lag Deutschland in Trümmern, äußerlich aber auch politisch und wirtschaftlich. Die nationalsozialistische Diktatur hatte Millionen Menschen das Leben gekostet und unermessliches Leid in ganz Europa verursacht. Es hatte sich gezeigt, wie gefährlich es ist, wenn staatliche Macht unkontrolliert bleibt und Menschenrechte missachtet werden. Klar war: Ein Staat wie Deutschland unter Hitler darf nie wieder entstehen. Deutschland musste politisch neu aufgebaut werden – demokratisch, rechtsstaatlich und der Würde des Menschen verpflichtet.
Nach der Kapitulation Deutschland am 8. Mai 1945 hatten die Alliierten, also die Siegermächte des Krieges USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion, die Regierungsgewalt in Deutschland inne und teilten das Land in verschiedene Besatzungszonen auf. In den westlichen, nicht von der Sowjetunion kontrollierten Zonen sollte eine neue, stabile und demokratische Ordnung entstehen. Die wichtigste Aufgabe: Eine Verfassung, die die Rechte der Menschen schützt und verhindert, dass sich eine Diktatur wie im Nationalsozialismus wiederholt.
Der Weg zum Grundgesetz
1948 beauftragten die westlichen Alliierten einige Vertreter der westdeutschen Bundesländer damit, eine Verfassung zu entwerfen. Aus den Landesparlamenten wurden Abgeordnete in den sogenannten „Parlamentarischen Rat“ entsandt – darunter 61 Männer und nur vier Frauen. Sie diskutierten monatelang über jeden einzelnen Artikel. Das Ergebnis: Das Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 verkündet wurde. Damit wurde auch die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Auf dem Originaldokument finden sich die Unterschriften und sogar Fingerabdrücke der „Mütter und Väter“ des Grundgesetzes.
Lehren aus der Vergangenheit
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten aus der Vergangenheit lernen. Sie wollten eine andere Verfassungsordnung als in der Weimarer Republik schaffen, in der die Nationalsozialisten die Macht ergreifen konnten. Deshalb wurde das Grundgesetz so gestaltet, dass es eine starke, aber kontrollierte Regierung gibt – und gleichzeitig klare Grenzen für die Regierungsmacht. Ein besonderes Merkmal des Grundgesetzes ist seine sogenannte “wehrhafte Demokratie”. Das bedeutet: Das Grundgesetz schützt sich selbst. Wer die Demokratie abschaffen will – zum Beispiel eine extremistische Partei –, kann vom Verfassungsschutz beobachtet oder vom Bundesverfassungsgericht verboten werden. Außerdem kann das Bundesverfassungsgericht überprüfen, ob Gesetze mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Darüber hinaus gibt es eine “Ewigkeitsgarantie” (Artikel 79 Absatz 3 GG): Die Menschenwürde, die Grundrechte, die Demokratie, der Rechtsstaat und der föderale Aufbau Deutschlands dürfen niemals abgeschafft oder verändert werden. Selbst wenn eine große Mehrheit im Bundestag das wollte, ginge es nicht. Das soll unsere Freiheit dauerhaft schützen – auch für kommende Generationen.
Besonders wichtig ist der Schutz der Menschenwürde: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das steht ganz am Anfang des Grundgesetzes, in Artikel 1. Menschenwürde heißt: Jeder Mensch ist wertvoll, einfach weil er ein Mensch ist – egal, woher er kommt, wie alt er ist oder wie er aussieht. Das ist die Grundlage für alle anderen Grundrechte.
Warum heißt es „Grundgesetz“ und nicht „Verfassung“?
Der Name „Grundgesetz“ war bewusst gewählt. Die Hoffnung war, dass Deutschland bald wiedervereinigt werden könnte. Das Grundgesetz sollte nur ein Provisorium sein, bis ganz Deutschland nach der Wiedervereinigung eine gemeinsame Verfassung bekommt. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten zeigen: Die staatliche Teilung Deutschlands ist nicht das letzte Wort.
Und wie war es in der DDR?
Weil die politischen Vorstellungen der Westmächte und der Sowjetunion sehr unterschiedlich waren, kam es bald zur Spaltung. In der sowjetischen Besatzungszone entstand die „Deutsche Demokratische Republik“. Auch die DDR bekam 1949 eine eigene Verfassung. Auf dem Papier gab es dort ebenfalls Grundrechte. In der Realität aber war die DDR eine Diktatur: Die Macht lag bei einer Partei, unabhängige Gerichte gab es nicht, und die Menschen konnten ihre Rechte nicht einklagen. Erst 1989, nach vielen Protesten und den berühmten Montagsdemonstrationen, fiel die Mauer. Am 3. Oktober 1990 kam es zur Wiedervereinigung – seitdem gilt das Grundgesetz für ganz Deutschland.
Was bedeutet das Grundgesetz heute für uns?
Das Grundgesetz ist nicht irgendein ein altes Dokument, sondern ein lebendiges Fundament für Freiheit, Gerechtigkeit und ein friedliches Miteinander in Deutschland. Es ist auch das Ergebnis harter Arbeit, kluger Gedanken und bitterer Erfahrungen. Es schützt uns, gibt uns Rechte – und fordert zugleich, dass wir die Rechte anderer respektieren. Es ist lebendig und betrifft uns alle, jeden Tag. Und es erinnert uns daran, dass Demokratie nie selbstverständlich ist.
Mehr zum Grundgesetz erfahrt ihr unter https://www.grundgesetzverstehen.de/ggv-erklaert/.
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