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Der Dienst an der Waffe: Die Wehrpflicht 

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Zunächst mit einfachem Gesetz im Jahr 1956 eingeführt, 1968 ins Grundgesetz aufgenommen, schließlich 2011 ausgesetzt – die Wehrpflicht hat schon einiges mitgemacht. Vor dem Hintergrund aktueller Konflikte, die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mittlerweile auch mitten in Europa ausgetragen werden, steht die Wehrpflicht wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Auch Politikerinnen und Politiker diskutieren, ob junge Menschen in Zukunft wieder zum Dienst an der Waffe gezwungen werden sollten – denn aktuell verteidigen ausschließlich Freiwillige die Bundesrepublik. Aber darf der Staat das überhaupt? Und was steht dazu eigentlich im Grundgesetz? Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über die Wehrpflicht geben. 

1. Geschichtliche Einordnung 

Die Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland hat eine lange Tradition – sie reicht über 200 Jahre zurück.Nach dem Sieg über Napoleon wurde in Preußen im Jahr 1814 zum ersten Mal die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Damals galt sie als Teil der staatsbürgerlichen Verantwortung: Wer Staatsbürger war, sollte auch bereit sein, das Land zu verteidigen. 

Auch spätere Verfassungen wie die Paulskirchenverfassung (1848/49) und die Reichsverfassung des Kaiserreichs (1871) sahen die Wehrpflicht vor. Sie wurde als selbstverständlich und patriotisch aufgeladene Pflicht gesehen. 

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Deutschland durch den Versailler Vertrag militärisch stark eingeschränkt. In der Weimarer Republik wurde die Wehrpflicht durch den Versailler Vertrag verboten – es wurde lediglich eine Berufsarmee mit einer Personalstärke von 100.000 Soldaten des Heeres und 15.000 Soldaten der Marine zugelassen. 

Während der Zeit des Dritten Reiches wurde die Wehrpflicht 1935 – trotz des weiterhin bestehenden Verbotes des Versailler Vertrages – wieder eingeführt. In der Folge wurde die Armee massiv aufgerüstet und später für den Zweiten Weltkrieg genutzt. 

Nach der Niederlage im zweiten Weltkrieg besetzten die Alliierten Deutschland. Sie setzen sich für eine Demilitarisierung Deutschlands ein. Es gab keine deutsche Armee und daher auch keine Wehrpflicht. Erst mit dem Beginn des Kalten Krieges änderte sich dies. 

Kurz nach der Gründung der Bundeswehr wurde am 21. Juni 1956 das Wehrpflichtgesetz beschlossen. 1968 fand die Regelung ihren Platz im Grundgesetz, nämlich in Artikel 12a GG, der auch heute noch fortbesteht. Die Wehrpflicht galt für Männer ab 18 Jahren und wurde als Verteidigungsmaßnahme im Kalten Krieg verstanden. Die Dauer des Wehrdienstes wurde über die Jahre hinweg schrittweise verringert. 

Auch in der DDR wurde die Wehrpflicht eingeführt – allerdings erst 1962. Männer mussten dort 18 Monate Wehrdienst leisten. 

2. Was sagt das Grundgesetz? 

Artikel 12a Abs. 1 des GG lautet:

„Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.“ 

Das heißt: Der Staat darf Männer ab 18 Jahren zum Militär-, Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei) oder Zivilschutzdienst verpflichten. Artikel 12a Abs. 1 GG stellt also eine Möglichkeit dar, die Berufsfreiheit des Artikel 12 GG einzuschränken. Frauen finden in Artikel 12a Abs. 1 des GG hingegen keine Erwähnung – sie dürfen also nicht zum Wehrdienst gezwungen werden. 

Diese Pflicht zum „Dienst an der Waffe“ kann aus Gewissensgründen verweigert werden – dies ermöglicht Artikel 4 Abs. 3 GG. In diesem Fall – wenn sich also ein Wehrpflichtiger erfolgreich auf das Recht zur Kriegsdienstverweigerung berufen hat – regelt Artikel 12a Abs. 2 GG die Verpflichtung, einen zivilen Ersatzdienst zu leisten, zum Beispiel in sozialen Einrichtungen.  

Besondere Regeln gelten in Ausnahmefällen wie Kriegszeiten. Im sogenannten Verteidigungsfall oder Spannungsfall (geregelt in Artikel 115a GG und Artikel 80a GG) können laut Grundgesetz auch Menschen zu zivilen Aufgaben herangezogen werden. Diese Gruppe von Personen soll dann Aufgaben wahrnehmen, die dem Funktionieren der Streitkräfte sowie dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen. Dann dürfen auch Frauen zum Dienst verpflichtet werden, allerdings nur zu zivilen Tätigkeiten, nicht zum Dienst an der Waffe. Das regelt Artikel 12a Abs. 4 GG ganz klar. 

3. Was wäre, wenn die Wehrpflicht “zurückkommt”? 

    Auch wenn sie seit 2011 nicht mehr angewendet wird – die Wehrpflicht ist nur ausgesetzt, nicht abgeschafft. Sie steht weiterhin in Artikel 12a GG und ist deshalb geltendes Recht. Das bedeutet: die Politik – genauer gesagt der Deutsche Bundestag – hätte jederzeit die Möglichkeit, die Wehrpflicht wieder einzusetzen. Doch was hieße das konkret für junge Menschen? 

    Zunächst einmal: Sollte der Deutsche Gesetzgeber das Grundgesetz nicht ändern, wären weiterhin nur Männer betroffen. Ob Artikel 12a Abs. 1 GG heutzutage noch zeitgemäß ist, wird immer wieder diskutiert – gerade mit dem Blick auf die Gleichberechtigung. Viele Menschen in Deutschland finden: Wenn schon Pflichtdienst, dann für alle, egal für welches Geschlecht – ganz nach dem Vorbild von Ländern wie Israel, Norwegen oder seit 2017 auch Schweden.  

    Unklar ist auch, wie die „neue“ Wehrpflicht aussehen würde, denn das ist im Grundgesetz nicht im Detail geregelt. Zurück zum Modell von früher – mit Kasernendienst für alle? Einige Politikerinnen und Politiker fordern sogar ein ganz neues Konzept: ein verpflichtendes „Gesellschaftsjahr“ für alle jungen Menschen, das auch außerhalb des Militärs abgeleistet werden kann, etwa in Krankenhäusern, in der Pflege oder im Katastrophenschutz. 

    Damit verbunden sind viele praktische Fragen: Wie würden all diese Pläne organisiert werden? Gibt es genug Ausbildungspersonal, genug Platz in Kasernen, genug Stellen im sozialen Bereich? Und dann ist da noch die grundsätzliche Debatte: Braucht Deutschland überhaupt eine Wehrpflicht? Die Meinungen gehen auch hier weit auseinander. Die einen sagen: In Zeiten von Krieg in Europa und wachsender Unsicherheit ist es wichtig, dass ein Staat verteidigungsbereit ist. Die anderen finden: Eine moderne Armee sollte auf gut ausgebildete Freiwillige setzen und nicht auf Leute, die zwangsweise eingezogen werden. 

    Festzuhalten ist: Die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht wäre ein großer Schritt – nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich. Und sie würde vor allem die junge Generation direkt betreffen. 

    4. Zusammenfassung 

      Die Wehrpflicht steht weiterhin in Artikel 12a des Grundgesetzes. Sie ist nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt. Der Staat darf daher grundsätzlich Menschen zum Dienst verpflichten – zum Dienst an der Waffe jedoch bisher nur Männer. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht wäre jederzeit möglich, bedürfte aber einer politischen Mehrheit im Bundestag. 

      Leseempfehlungen: 

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