Die K-Frage: Letzte Schritte auf dem Weg zur Regierung

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Das politische System in Deutschland wird gerne als „Kanzlerdemokratie“ bezeichnet. Der:die Kanzler:in steht an der Spitze der Regierung und übernimmt Verantwortung für ihre Entscheidungen. Um diese mächtige Position ausüben zu können, benötigt die kandidierende Person das Vertrauen des Bundestages: Mit diesem Vertrauen beginnt die Amtszeit des:der Kanzler:in – und kann umgekehrt jederzeit mit dem Misstrauen des Parlaments enden. Die Kanzler:innenwahl schafft damit die Grundlage für das Verhältnis von Parlament und Regierung, das vom Grundgesetz vorausgesetzt wird. Wie diese Wahl im Einzelnen abläuft, ist Thema dieses Beitrags.

Wer kann Kanzler:in? 

In rechtlicher Hinsicht kann Kanzler:in werden, wer auf Bundesebene wählen und gewählt werden kann, also mindestens 18 Jahre alt ist und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Mitglied des Bundestages zu sein, also ein Abgeordnetenmandat zu haben, ist für die Wahl nicht erforderlich. 

Wen der:die Bundespräsident:in zur Wahl vorschlägt, ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Der:die Bundespräsident:in ist dabei nicht an Vorgaben der Fraktionen im Bundestag gebunden, unter denen sich in aller Regel vorher eine Koalition gebildet hat. Wahrscheinlich wird dem:der Bundespräsident:in aber daran gelegen sein, dass der:die Kandidat:in den Rückhalt der Mehrheit im Parlament hat – was praktisch auf die Person hinauslaufen dürfte, die von der neu gebildeten Koalition für das Amt vorgesehen ist.

Ein Wahlgang als Regelfall

In der Geschichte des Grundgesetzes wurde der:die Kanzler:in immer in einem Wahlgang gewählt. Die Wahl im zweiten oder dritten Wahlgang stellt also nicht den regelmäßigen Ablauf, sondern im Gegenteil eine bislang nie da gewesene Ausnahmesituation dar. 

Im ersten Wahlgang stimmt der Bundestag geheim und „ohne Aussprache“, also ohne vorherige Diskussion im Parlament, über die von dem:der Bundespräsident:in zur Wahl vorgeschlagene Person ab. Die Wahl ist erfolgreich, wenn der:die Kandidat:in „die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages“ erhält (Art. 63 Abs. 2 GG). Man spricht hier von einer absoluten Mehrheit, auch „Kanzlermehrheit“ genannt. Am Beispiel des aktuellen Bundestages gerechnet: von 736 Abgeordneten müssten mindestens 368 mit „Ja“ stimmen (mindestens die Hälfte plus eine Stimme). Die gewählte Person wird nach der Wahl von dem:der Bundespräsident:in ernannt.

Zweiter und dritter Wahlgang als Ausnahme 

Scheitert tatsächlich einmal der erste Wahlgang, kann im zweiten Wahlgang das Parlament anstelle des:der Bundespräsident:in Vorschläge machen. Wahlvorschläge aus dem Parlament müssen innerhalb von 14 Tagen nach dem ersten Wahlgang gemacht werden und von mindestens einem Viertel der Abgeordneten unterstützt werden. Damit dieser zweite Wahlgang Erfolg hat, muss der die vorgeschlagene Kandidat:in wie im ersten Wahlgang die „Kanzlermehrheit“ erreichen. 

Bekommt auch im zweiten Wahlgang kein:e Kandidat:in die erforderliche Mehrheit, findet so schnell wie möglich ein dritter Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Gemeint ist damit eine relative Mehrheit, die sonst zum Beispiel bei der Verabschiedung von Gesetzen ausreicht. Das könnte bei 736 Abgeordneten etwa so aussehen: Angenommen, es gibt drei Wahlvorschläge. Person X erhält 310 Stimmen, Person Y 248 und Person Z 178 Stimmen. Person X hat zwar die „Kanzlermehrheit“ klar verfehlt, konnte aber mehr Stimmen gewinnen als alle anderen Kandidat:innen und ist damit gewählt.

Man könnte sich nun fragen, warum im dritten Wahlgang plötzlich eine relative anstelle einer absoluten Mehrheit ausreicht. Einen Unterschied macht die Mehrheit tatsächlich für das Handeln des:der Bundespräsident:in. Konnte der:die gewählte Kandidat:in eine absolute Mehrheit erringen, dann muss der Entscheidung des Parlaments gefolgt und die Person ernannt werden. Konnte dagegen nur eine relative Mehrheit im dritten Wahlgang erreicht werden, hat der:die Bundespräsident:in die Wahl: Er:sie kann die gewählte Person entweder ernennen oder den Bundestag auflösen (Art. 63 IV GG). Im letzteren Fall kommt es zu Neuwahlen und damit womöglich zu anderen Mehrheiten im Bundestag.

Anfang und Ende einer Kanzler:innenschaft

Nicht nur zu Beginn, sondern während der gesamten Regierungszeit ist der:die Kanzler:in von dem Vertrauen des Parlaments abhängig. Ist dieses Vertrauen nicht mehr vorhanden, sieht das Grundgesetz in Art. 67 GG einen Weg vor, um die Amtszeit des:der amtierenden Bundeskanzler:in schon vor Ende der Wahlperiode zu beenden. Das Verfahren nennt sich „konstruktives Misstrauensvotum“; „konstruktiv“ bedeutet ähnlich wie bei dem Begriff der „konstruktiven Kritik“, dass die geäußerte Ablehnung direkt mit einem „Verbesserungsvorschlag“ verbunden werden muss. Konkret: Der Bundestag kann dem:der amtierenden Kanzler:in das Misstrauen aussprechen, indem das Parlament mit absoluter Mehrheit eine:n neue:n Kanzler:in wählt. Das vorzeitige Ende der Amtszeit läuft damit spiegelbildlich zu ihrem Anfang ab. In der Geschichte gab es ein solches Misstrauensvotum bislang zweimal, einmal 1972 (ohne Erfolg) und einmal 1982 (mit Erfolg).

Hinter dem konstruktiven Misstrauensvotum steht der Gedanke, dass eine Regierung ohne das Vertrauen des Parlaments nicht funktionsfähig ist. Gesetze, die zum Großteil von der Regierung vorgeschlagen werden, würden im Parlament wahrscheinlich keine Mehrheit erhalten. Die Regierung bliebe so am Ende nur noch das „Verwalten“ des Landes, ohne aktiv Politik gestalten zu können. Das entspricht nicht dem demokratischen Prozess, den das Grundgesetz vor Augen hat.

Das politische System in Deutschland wird gerne als „Kanzlerdemokratie“ bezeichnet. Der:die Kanzler:in steht an der Spitze der Regierung und übernimmt Verantwortung für ihre Entscheidungen. Um diese mächtige Position ausüben zu können, benötigt die kandidierende Person das Vertrauen des Bundestages: Mit diesem Vertrauen beginnt die Amtszeit des:der Kanzler:in – und kann umgekehrt jederzeit mit dem Misstrauen des Parlaments enden. Die Kanzler:innenwahl schafft damit die Grundlage für das Verhältnis von Parlament und Regierung, das vom Grundgesetz vorausgesetzt wird. Wie diese Wahl im Einzelnen abläuft, ist Thema dieses Beitrags.

Wer kann Kanzler:in? 

In rechtlicher Hinsicht kann Kanzler:in werden, wer auf Bundesebene wählen und gewählt werden kann, also mindestens 18 Jahre alt ist und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Mitglied des Bundestages zu sein, also ein Abgeordnetenmandat zu haben, ist für die Wahl nicht erforderlich. 

Wen der:die Bundespräsident:in zur Wahl vorschlägt, ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Der:die Bundespräsident:in ist dabei nicht an Vorgaben der Fraktionen im Bundestag gebunden, unter denen sich in aller Regel vorher eine Koalition gebildet hat. Wahrscheinlich wird dem:der Bundespräsident:in aber daran gelegen sein, dass der:die Kandidat:in den Rückhalt der Mehrheit im Parlament hat – was praktisch auf die Person hinauslaufen dürfte, die von der neu gebildeten Koalition für das Amt vorgesehen ist.

Ein Wahlgang als Regelfall

In der Geschichte des Grundgesetzes wurde der:die Kanzler:in immer in einem Wahlgang gewählt. Die Wahl im zweiten oder dritten Wahlgang stellt also nicht den regelmäßigen Ablauf, sondern im Gegenteil eine bislang nie da gewesene Ausnahmesituation dar. 

Im ersten Wahlgang stimmt der Bundestag geheim und „ohne Aussprache“, also ohne vorherige Diskussion im Parlament, über die von dem:der Bundespräsident:in zur Wahl vorgeschlagene Person ab. Die Wahl ist erfolgreich, wenn der:die Kandidat:in „die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages“ erhält (Art. 63 Abs. 2 GG). Man spricht hier von einer absoluten Mehrheit, auch „Kanzlermehrheit“ genannt. Am Beispiel des aktuellen Bundestages gerechnet: von 736 Abgeordneten müssten mindestens 368 mit „Ja“ stimmen (mindestens die Hälfte plus eine Stimme). Die gewählte Person wird nach der Wahl von dem:der Bundespräsident:in ernannt.

Zweiter und dritter Wahlgang als Ausnahme 

Scheitert tatsächlich einmal der erste Wahlgang, kann im zweiten Wahlgang das Parlament anstelle des:der Bundespräsident:in Vorschläge machen. Wahlvorschläge aus dem Parlament müssen innerhalb von 14 Tagen nach dem ersten Wahlgang gemacht werden und von mindestens einem Viertel der Abgeordneten unterstützt werden. Damit dieser zweite Wahlgang Erfolg hat, muss der die vorgeschlagene Kandidat:in wie im ersten Wahlgang die „Kanzlermehrheit“ erreichen. 

Bekommt auch im zweiten Wahlgang kein:e Kandidat:in die erforderliche Mehrheit, findet so schnell wie möglich ein dritter Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Gemeint ist damit eine relative Mehrheit, die sonst zum Beispiel bei der Verabschiedung von Gesetzen ausreicht. Das könnte bei 736 Abgeordneten etwa so aussehen: Angenommen, es gibt drei Wahlvorschläge. Person X erhält 310 Stimmen, Person Y 248 und Person Z 178 Stimmen. Person X hat zwar die „Kanzlermehrheit“ klar verfehlt, konnte aber mehr Stimmen gewinnen als alle anderen Kandidat:innen und ist damit gewählt.

Man könnte sich nun fragen, warum im dritten Wahlgang plötzlich eine relative anstelle einer absoluten Mehrheit ausreicht. Einen Unterschied macht die Mehrheit tatsächlich für das Handeln des:der Bundespräsident:in. Konnte der:die gewählte Kandidat:in eine absolute Mehrheit erringen, dann muss der Entscheidung des Parlaments gefolgt und die Person ernannt werden. Konnte dagegen nur eine relative Mehrheit im dritten Wahlgang erreicht werden, hat der:die Bundespräsident:in die Wahl: Er:sie kann die gewählte Person entweder ernennen oder den Bundestag auflösen (Art. 63 IV GG). Im letzteren Fall kommt es zu Neuwahlen und damit womöglich zu anderen Mehrheiten im Bundestag.

Anfang und Ende einer Kanzler:innenschaft

Nicht nur zu Beginn, sondern während der gesamten Regierungszeit ist der:die Kanzler:in von dem Vertrauen des Parlaments abhängig. Ist dieses Vertrauen nicht mehr vorhanden, sieht das Grundgesetz in Art. 67 GG einen Weg vor, um die Amtszeit des:der amtierenden Bundeskanzler:in schon vor Ende der Wahlperiode zu beenden. Das Verfahren nennt sich „konstruktives Misstrauensvotum“; „konstruktiv“ bedeutet ähnlich wie bei dem Begriff der „konstruktiven Kritik“, dass die geäußerte Ablehnung direkt mit einem „Verbesserungsvorschlag“ verbunden werden muss. Konkret: Der Bundestag kann dem:der amtierenden Kanzler:in das Misstrauen aussprechen, indem das Parlament mit absoluter Mehrheit eine:n neue:n Kanzler:in wählt. Das vorzeitige Ende der Amtszeit läuft damit spiegelbildlich zu ihrem Anfang ab. In der Geschichte gab es ein solches Misstrauensvotum bislang zweimal, einmal 1972 (ohne Erfolg) und einmal 1982 (mit Erfolg).

Hinter dem konstruktiven Misstrauensvotum steht der Gedanke, dass eine Regierung ohne das Vertrauen des Parlaments nicht funktionsfähig ist. Gesetze, die zum Großteil von der Regierung vorgeschlagen werden, würden im Parlament wahrscheinlich keine Mehrheit erhalten. Die Regierung bliebe so am Ende nur noch das „Verwalten“ des Landes, ohne aktiv Politik gestalten zu können. Das entspricht nicht dem demokratischen Prozess, den das Grundgesetz vor Augen hat.