In unserer Reihe „Forschung – leicht erklärt“ stellen Mitglieder von GGV vor, womit sie sich in ihrer Forschung beschäftigen. Den Anfang der Reihe macht unser Mitglied Andrea. Sie schreibt eine Doktorarbeit darüber, wie Staatsfinanzen und Klimaschutz zusammenhängen und was das Grundgesetz damit zu tun hat.
GGV: Liebe Andrea, unter anderem beschäftigst du dich in deiner Doktorarbeit mit dem Zusammenhang von Geld und Klimaschutz unter unserem Grundgesetz. Was hat es hiermit auf sich?
Andrea: Staatliche Handlungsfähigkeit setzt eine entsprechende Finanzkraft des Staates voraus. Oder einfacher gesagt: Nur, wenn der Staat über hinreichende Geldmittel verfügt, kann er die ihm von unserem Grundgesetz aufgetragenen Aufgaben auch erfüllen. Deswegen erhebt der Staat sogenannte Abgaben. Abgaben sind Geldzahlungen, die die Menschen oder die Unternehmen an den Staat leisten. Früher mussten Bauern einen Teil ihrer Ernte an den König abgeben, heute wird Geld gezahlt. So kann der Staat Schulen bauen, seine Beamten bezahlen oder Brücken reparieren.
Die bekannteste Abgabe ist die Steuer. Sie ist auch die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Weil das Thema Finanzen für die Organisation unseres Landes so wichtig ist, widmet das Grundgesetz ihm ein eigenes „Kapitel“, die Finanzverfassung. In diesem Abschnitt, also ab Artikel 104a des Grundgesetzes („GG“), ist zum Beispiel geregelt, wie Steuern erhoben werden dürfen und wer wie viel der eingenommenen Steuern erhält. Denn unser Staat besteht aus verschiedenen Einheiten (Bund, Ländern und Gemeinden). Damit nicht eine staatliche Einheit alle Einnahmen für sich beanspruchen kann, sind Regelungen zur Gewinnung, Verwaltung und Verteilung der Einnahmen nötig.
Außerdem regelt das Grundgesetz, welche Steuern erhoben werden dürfen. Hierbei ist es sehr streng. Es gibt einen Katalog von Steuertypen, die der Gesetzgeber einführen darf. Er darf aber keine neuen Steuern „erfinden“. Das ist wichtig, um die Bürgerinnen und Bürger auch vor übermäßiger Belastung zu schützen.
GGV: Kann der Staat durch seine Finanzpolitik die Verwirklichung von Klimaschutz aktiv beeinflussen und wie funktioniert das?
Andrea: Ja! Die Erzielung von Einnahmen muss für den Staat nicht unbedingt der einzige Grund für die Erhebung einer Steuer sein. Nehmen wir mal an, es wird eine Erdbeer-Steuer eingeführt, weil man herausgefunden hat, dass Erdbeeren schlecht für die Umwelt sind. Dann kostet eine Schachtel Himbeeren im Supermarkt vielleicht zwei Euro, die Schachtel Erdbeeren jedoch zehn Euro. Nicht alle, aber viele werden dann in Zukunft mehr Himbeeren als Erdbeeren kaufen. Statt Erdbeerkuchen würden wir eben mehr Himbeerkuchen essen. Und die Smoothie-Hersteller würden mehr Himbeeren für ihre Smoothies verwenden. Das nennt man eine „Lenkungsabgabe“. Denn um Geld zu sparen, verändern die Konsumenten (wir) und die Produzenten häufig ihr Verhalten.
So kann der Staat auch beim Klimaschutz vorgehen. Es könnte zwar auch von heute auf morgen jedes klimaschädliche Verhalten wie beispielsweise das Fliegen verbieten – das hätte aber harte, nahezu untragbare Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Leben in Deutschland. Deswegen gibt es in Deutschland zum einen Verbote von besonders klimaschädlichem Verhalten, aber auch zum anderen eine Lenkungsabgabe.
GGV: Haben wir eine Klimasteuer in Deutschland? Wer bezahlt sie?
Andrea: In Deutschland haben wir derzeit zwei Lenkungssteuern mit klimapolitischem Lenkungszweck: Die Luftverkehrssteuer und die Kraftfahrzeugsteuer. Denn der Gesetzgeber hat die Einführung dieser Steuern (auch) mit dem Klimaschutz begründet. Die Luftverkehrsteuer wird beispielsweise von den Flugverkehrsunternehmen gezahlt. Sie geben diese Zahlungslast allerdings über den Ticketpreis an den Fluggast weiter. Andere Steuern, wie zum Beispiel die Stromsteuer, haben keinen echten Bezug zum Klimaschutz. Denn die Steuerpflicht besteht unabhängig davon, ob der Strom klimafreundlich oder nicht klimafreundlich produziert wurde.
Eine richtige CO2-Steuer, also eine Steuer, die direkt an den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen anknüpft, gibt es nicht. Viele Juristen sind der Ansicht, dass eine solche Steuer auch nicht eingeführt werden dürfte. Denn sie ist nicht von dem oben angesprochenen „Katalog“ im Grundgesetz umfasst. Es müsste also erst das Grundgesetz geändert werden, bevor eine solche Steuer eingeführt werden könnte. Dies ist aber grundsätzlich möglich. Es gibt einige Artikel im Grundgesetz, die niemals geändert werden dürfen, wie zum Beispiel Art. 1 GG, die Menschenwürde. Die Regeln der Finanzverfassung gehören nicht dazu.
In Deutschland haben wir zwar keine Klimasteuer, aber eine Klimaabgabe. Hierbei handelt es sich nicht um eine Steuer, sondern um eine sogenannte „Nichtsteuerliche Abgabe“. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn für Steuern und Nichtsteuerliche Abgaben gelten nach unserer Verfassung oft unterschiedliche Vorgaben. Das Gesetz für die Klimaabgabe trägt den langen Namen „Brennstoffemissionshandelsgesetz“ („BEHG“). Auch das System hinter der Abgabe ist etwas komplizierter: Unternehmen, die Brennstoffe wie Erdgas oder Heizöl in den Verkehr bringen, müssen hierfür ein sogenanntes „Zertifikat“ – also eine Erlaubnis – erwerben. Denn bei der Verbrennung von Erdgas oder Heizöl werden sehr viele klimaschädliche Gase abgegeben. Diese Zertifikate kosten Geld. Das Geld fließt in einen staatlichen Klimaschutzfonds und aus diesem Fonds sollen dann Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden. Die Unternehmen können an andere Unternehmen auch Zertifikate verkaufen, die sie nicht benötigen.
Diese der Klimaabgabe zugrundeliegende Idee ist nicht neu. Es gibt ein ähnliches System schon seit langer Zeit auf europäischer Ebene. Die Kosten für die Zertifikate tragen die Endverbraucher, also wir alle. Denn auch hier geben die Unternehmen die Kosten über Preiserhöhungen weiter.
GGV: Wo siehst du mit Blick auf den Zusammenhang zwischen Geld und Klimaschutz derzeit die größte Herausforderung?
Andrea: Für den Staat ist es herausfordernd, Steuer – oder Abgabengesetze zu entwickeln. Denn diese müssen dem Grundgesetz entsprechen. Ist dies nicht der Fall, kann der Steuer- oder Abgabenschuldner sich gegen seine rechtswidrige Inanspruchnahme wehren und vor Gericht ziehen. Das ist schon häufig vorgekommen. Im Falle der sogenannten Kernbrennstoffsteuer hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise entschieden, dass alle Einnahmen aus der Steuer zurückgezahlt werden müssen, weil das Steuergesetz gegen das Grundgesetz verstoßen hat.
Bei Nichtsteuerlichen Abgaben wird es noch komplizierter, denn das Grundgesetz schweigt überwiegend zu der Verfassungsmäßigkeit. Das heißt aber nicht, dass es keine Regeln hierzu gibt, sondern nur, dass sich diese allein aus den im Grundgesetz verankerten Verfassungsprinzipien ergeben. Das nennt man umgangssprachlich auch das „ungeschriebene Verfassungsrecht“.
Auch im Hinblick auf die Klimaschutzabgabe nach dem BEHG sind manche Juristen der Ansicht, sie verstoße gegen dieses ungeschriebene Verfassungsrecht. Dieser Frage gehe ich unter anderem in meiner Doktorarbeit auch nach.
Über die Autorin:
Andrea Laschet*, seit 2023 bei GGV, Doktorandin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Rechtsanwältin. Der Text richtet sich in erster Linie an Schülerinnen und Schüler.
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