Die europäischen Institutionen – Wer macht eigentlich was in Europa? 

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Die EU erlässt Gesetze, die unser aller Leben beeinflussen. Deshalb ist es für eine demokratische Institution zwingend, dass die betroffenen Bürger:innen im Gesetzgebungsprozess vertreten sind. Die EU ist außerdem kein Staat. Sie besteht vielmehr aus souveränen Staaten wie Deutschland, Polen oder Frankreich. Die Interessen aller Mitglieder sind nicht immer gleichlaufend, daher ist es wichtig, dass auch sie die Möglichkeit haben, auf europäische Gesetze einwirken zu können. Und schließlich hat die EU selbst Interessen: In Artikel 3 EUV wurden ihr konkrete Ziel aufgeben, die sie erfüllen muss. Deswegen braucht auch sie eine Stimme im „europäischen Konzert“. 

Die Europäische Union (EU) ist ein politischer und wirtschaftlicher Zusammenschluss von heute 27 europäischen Staaten, der darauf abzielt, Frieden, Stabilität und Wohlstand zu fördern. Das heißt, dass in bestimmten Bereichen die Mitgliedstaaten durch die EU als Organisation handeln und nicht mehr allein entscheiden, z.B. bei den Themen Handel, Umweltschutz oder Sicherheit. Man kann – vereinfacht gesagt – die EU mit der Struktur von Bund und Ländern in Deutschland vergleichen: Manche Aufgaben übernimmt allein die EU, manche Aufgaben bleiben bei den Mitgliedstaaten und in manchen Bereichen arbeiten EU und Mitgliedstaaten eng zusammen. Dabei gilt der Grundsatz, dass jeder Mitgliedstaat für sich allein verantwortlich ist, es sei denn die Verträge der EU bestimmen, dass die EU (auch) zuständig ist (sog. Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung der EU).1

Die Europäische Union hat eine Reihe von Institutionen, die alle gemeinsam dafür sorgen, dass sie funktioniert und – was im europäischen Kontext besonders wichtig ist – sicherstellen, dass die vielfältigen Interessen innerhalb Europas in der Union vertreten sind. Nach Artikel 13 des EU-Vertrages (EUV) verfügt die Union über sieben solcher Institutionen: 

  • Europäisches Parlament 
  • Rat 
  • Europäische Kommission  
  • Europäischer Rat  
  • Gerichtshof der Europäischen Union 
  • Europäische Zentralbank 
  • Rechnungshof 

Diese einzelnen Institutionen stellen wir euch nun kurz vor.2 

Das Europäische Parlament

Das Europäische Parlament entscheidet über EU-Gesetze, die von Umweltschutz bis zu digitaler Sicherheit reichen, ähnlich wie der Bundestag für Deutschland. Dabei hat es auch die Aufgabe, den EU-Haushalt zu überwachen und sicherzustellen, dass die Europäische Kommission, welche die EU-Gesetze umsetzt, ihre Arbeit im Sinne der Bürger:innen ausführt. Das Europäische Parlament ist also die Volksvertretung der EU-Bürger:innen. Gewählt wird es alle fünf Jahre. Von den aktuell 705 Mitgliedern des Parlaments stammen 96 aus Deutschland. 

Zuständig ist das Europäische Parlament für den Beschluss von Gesetzen, die auf europäischer Ebene als Richtlinien oder Verordnungen bezeichnet werden (Artikel 14 EUV). Ein großer Unterschied zu den Parlamenten in Deutschland – dem Bundestag und den Landtagen – besteht darin, dass Abgeordnete des EU-Parlaments dort keine eigenen Gesetzentwürfe einbringen können. Das Europäische Parlament kann lediglich die Europäische Kommission dazu auffordern, Vorschläge zu unterbreiten. Außerdem kann das Parlament mit einem Viertel seiner Mitglieder Untersuchungsausschüsse einsetzen, um Verstöße gegen EU-Recht oder Missstände bei der Anwendung von EU-Recht zu untersuchen. 

Der Rat

Der Rat (der Europäischen Union) hat seinen Sitz in Brüssel. Er besteht aus je einer Ministerin/ einem Minister pro Mitgliedstaat und stellt so eine Vertretung der nationalen Regierungen auf EU-Ebene dar. Der Rat hat keine festen Mitglieder. Die Zusammensetzung ändert sich abhängig davon, um welches Thema es geht und dann ist jeweils ein:e andere:r Minister:in vertreten. Geht es um Finanzthemen, kommt aus Deutschland der Finanzminister Christian Lindner in den sog. „Ecofin-Rat“, geht es um Klimaschutz, dann die Umweltministerin Steffi Lemke. Insgesamt gibt es 10 verschiedene Zusammensetzungen. Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament ist er Co-Gesetzgeber und verabschiedet EU-Gesetze, die auf Vorschlag der Kommission eingebracht wurden. Der Rat tagt regelmäßig zu Gesetzesvorschlägen der Kommission, die dann im Rahmen der sog. Trilog-Verhandlungen, an denen Vertreter:innen aus dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission teilnehmen, diskutiert und beschließt.  Die endgültige Fassung des Gesetzes wird dann – wie die Europäischen Verträge es im Gegensatz zu den informellen Trilogen, die nicht geregelt sind, vorsehen – in Rat und dem Europäischen Parlament zur Abstimmung gebracht, um das Gesetz formal zu beschließen. 

Der Ratsvorsitz wechselt alle 6 Monate zwischen den Mitgliedstaaten, was bedeutet, dass ein Mitgliedstaat für 6 Monate die politische Agenda des Rates bestimmt und entscheidet, welche Gesetzesentwürfe wann und wie häufig beraten werden. Aktuell hat Belgien die Ratspräsidentschaft inne. Am 1. Juli 2024 übernimmt dann Ungarn die nächsten 6 Monate. 

Nicht zu verwechseln ist der Rat der EU mit dem Europäischen Rat (dazu weiter unten) und dem Europarat, welcher kein Organ der EU ist. 

Die Europäische Kommission

Die Europäische Kommission hat ihren Sitz in Brüssel und sie ist die politisch unabhängige Exekutive der EU. Ihre Amtszeit beträgt 5 Jahre, genauso wie beim Europäischen Parlament. Jeder Mitgliedstaat bestellt eine:n Kommissar:in. Die 27 Kommissionsmitglieder übernehmen gemeinsam die politische Leitung der Kommission. Die / der Kommissionspräsident:in überträgt wiederum jedem Kommissionsmitglied die Verantwortung für einen bestimmten Politikbereich. Die Arbeit in einem bestimmten Politikbereich wird von der jeweiligen Generaldirektion (GD) – vergleichbar mit Ministerien auf nationaler Ebene – ausgeführt. Zum Beispiel gibt es die GD Wettbewerb, die für die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften zuständig ist, oder die GD Umwelt oder GD Klima, die sich mit Umwelt- bzw. Klimaschutzthemen (manchmal auch gemeinsam) befassen. Die Kommission lässt sich auf nationaler Ebene mit der Bundesregierung vergleichen, ist aber – im Unterschied dazu –  politisch unabhängig, denn sie besteht eben nicht aus Mitgliedern der stärksten Fraktionen des Europäischen Parlaments. Allerdings orientiert sie sich in ihrer Zusammensetzung grob an den Mehrheitsverhältnissen des Parlaments – dazu mehr in unserem Beitrag zum Spitzenkandidatenmodell und zu den Europawahlen. 

Die Kommission hat das alleinige Initiativrecht, was bedeutet, dass nur die Kommission  einen Vorschlag (erarbeitet durch eine GD) für ein neues Gesetz einbringen darf, über welches dann Rat und Parlament diskutieren und dieses letztlich formal beschließen. Die Kommission setzt sich eine eigene politische Agenda mit Themen und Zielen, die sie während ihrer Amtszeit bearbeiten und erreichen möchte. Der sog. Europäische Grüne Deal (European Green Deal) der EU ist eine solche politische Strategie der aktuellen Kommission. 

Als „Hüterin der Verträge“ ist die Kommission für die Überwachung der Anwendung und Einhaltung von EU-Recht in den Mitgliedstaaten verantwortlich. Wenn Mitgliedstaaten gegen EU-Recht verstoßen, dann kann die Kommission ein sog. Vertragsverletzungsverfahren einleiten und den Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof verklagen. Auf internationaler Ebene vertritt die Kommission die EU, also z.B. bei den Vereinten Nationen. 

Der Europäische Rat 

Der Europäische Rat – im Unterschied zum Rat – ist ein Gremium, das sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie den Präsident:innen der Europäischen Kommission und des Rates zusammensetzt (Artikel 15 EUV). In der Regel viermal im Jahr kommt der Europäische Rat zusammen. Diese Treffen werden in den Medien häufig als „EU-Gipfel“ bezeichnet.  

Die Aufgabe des Rates besteht darin, der EU die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse zu geben und hierfür allgemeine politische Zielvorstellungen und Prioritäten festzulegen. Der Europäische Rat wirkt daher nicht direkt an der Gesetzgebung der EU mit, sondern fungiert als übergeordnetes Gremium, das vor allem auch der Kompromissfindung der Mitgliedstaaten bei wichtigen Fragen dient. 

Der Gerichtshof der Europäischen Union 

Der Gerichtshof der Europäischen Union ist, anders als der Name vermuten lässt, kein einzelnes Gericht, sondern besteht aus zwei Gerichten: Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Gericht der Europäischen Union (EuG). Nach Artikel 19 EUV besteht der EuGH aus einem/einer Richter:in je Mitgliedstaat und das EuG aus mindestens einem/einer – gegenwärtig zwei – Richter:innen je Mitgliedstaat. Die Richter:innen werden durch die Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt. 

Zuständig ist der EuGH insbesondere für sog. Vertragsverletzungsverfahren, in denen es um mögliche Verletzungen der EU-Verträge durch einen Mitgliedstaat geht (Artikel 258, 259 Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV)). Daneben ist auch das sog. Vorabentscheidungsverfahren von Bedeutung, in dem der EuGH über die Auslegung von EU-Recht entscheidet, wenn ein Gericht eines Mitgliedsstaates ihm eine konkrete Frage vorlegt (Artikel 267 AEUV). Das EuG entscheidet schließlich in erster Instanz über alle Klagen von Bürger:innen und Unternehmen gegen Handlungen von Organen der EU, also des Europäischen Parlaments, des Europäischen Rates, des Rates, der Europäischen Zentralbank und der Kommission (Artikel 263 AEUV). 

Die Europäische Zentralbank  

Die Europäische Zentralbank (EZB), die ihren Sitz in Frankfurt hat, bildet mit den nationalen Zentralbanken – in Deutschland ist dies die Bundesbank – ein „Europäisches System der Zentralbanken“ (ESZB). Das ESZB wird wiederum von den Organen der EZB geleitet. Diese sind gemäß Artikel 283 AEUV der Rat der Europäischen Zentralbank und ein sog. Direktorium. Dem Direktorium gehören der/die Präsident:in der EZB und vier weitere Mitglieder an, die vom Europäischen Rat gewählt werden. Der EZB-Rat besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums und den Präsident:innen der nationalen Zentralbanken. Auch an der EZB zeigt sich, dass stets alle Mitgliedstaaten an den Institutionen der EU mitwirken. 

Nach Artikel 127 AEUV ist das vorrangige Ziel dieses Systems, „die Preisstabilität zu gewährleisten“. Das bedeutet, dass die Inflation auf einem möglichst stabilen Niveau von etwa zwei Prozent zu halten ist. Dies war daher in den letzten Jahren besonders relevant. Im Rahmen der sog. Geldpolitik legt das ESZB hierzu insbesondere die Leitzinsen fest. Eine weitere Aufgabe der EZB ist es, die Ausgabe des Euro als Währung der Europäischen Union zu genehmigen. 

Der Rechnungshof 

Der europäische Rechnungshof besteht aus einem Staatsangehörigen je Mitgliedstaat. Seine Mitglieder werden von den Mitgliedstaaten vorgeschlagen und für eine Dauer von sechs Jahren ernannt. 

Aufgabe des Rechnungshofes ist es nach Artikel 287 AEUV zu prüfen, ob alle Einnahmen und Ausgaben der EU recht- und ordnungsmäßig sind und der europäische Haushalt wirtschaftlich geführt wird. Ziel der Prüfung ist es, Unregelmäßigkeiten bzw. eine Verschwendung von EU-Geldern zu ermitteln. Einmal im Jahr erstattet der Rechnungshof hierzu einen Bericht, der den anderen EU-Organen vorgelegt und anschließend veröffentlicht wird. 

Fazit 

Die Europäische Union hat also eine Reihe von Institutionen, die alle gemeinsam dafür sorgen, dass sie funktioniert und – was im europäischen Kontext besonders wichtig ist –  die vielschichtigen Interessen innerhalb Europas in der Union vertreten sind.  

Die Europäische Union wirkt nicht nur als Bündnis souveräner Staaten, sondern auch als eigenständiger Akteur mit eigenen Interessen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass sowohl die Bürger:innen als auch die Mitgliedstaaten im Gesetzgebungsprozess angemessen vertreten sind. Nur so kann sichergestellt werden, dass die EU-Gesetze, die tief in unser tägliches Leben eingreifen, die Vielfalt und die Bedürfnisse aller Betroffenen widerspiegeln. 

  1. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-europalexikon/177210/prinzip-der-begrenzten-einzelermaechtigung/ ↩︎
  2. Autorin der Vorstellung der Europäischen Kommission und des Rates ist Laura Sophie Ochner. ↩︎