Was macht die Demokratie des Grundgesetzes wehrhaft? – Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung

· · · · · ·

Dass unsere Demokratie durch antidemokratische, rechtsextreme und fremdenfeindliche Parteien zunehmend gefährdet wird, wurde in den letzten Wochen und Monaten jeden Tag ein bisschen deutlicher. 

Allerdings ist unsere Rechtsordnung nicht schutzlos gegen solche Parteien. So sieht Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes vor, dass Parteien, die – vereinfacht ausgedrückt – versuchen die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, verfassungswidrig sind. Das Bundesverfassungsgericht stellt dies – sofern die Voraussetzungen alle vorliegen – in einem entsprechenden Verfahren fest und spricht dann ein Verbot aus (Hier gehts zu unserem Blogbeitrag zum Parteiverbot). 

Im letzten Blogbeitrag haben wir euch außerdem die Regelung in Art. 18 GG vorgestellt, die die Verwirkung bestimmter politischer Grundrechte vorsieht, wenn eine Person diese zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnungmissbraucht (Hier geht’s zu unserem Blogbeitrag zur Verwirkung von Grundrechten).

Anknüpfungspunkt in diesen Regelungen der wehrhaften Demokratie ist die freiheitlich demokratische Grundordnung(„FDGO“). Sie gilt es vor Angriffen zu schützen. Geschützt wird somit „nicht nur“ die Demokratie als solche, sondern eben unsere freiheitlich demokratische Grundordnung.

Aber was genau gehört zur FDGO? Das hat im Wesentlichen unser Verfassungsgericht in einer Reihe von Entscheidungen näher bestimmt, in denen es sich mit den oben genannten Regelungen, insbesondere dem Parteiverbotsverfahren beschäftigt hat. Das Gericht hat den Begriff, den wir im GG an verschiedenen Stellen wiederfinden, also durch seine Urteile geprägt.

Zunächst bedeutet Grundordnung, dass es um grundlegende Werte geht, die als Basis für unser gesellschaftliches Zusammenleben dienen, und die nicht zur Diskussion stehen dürfen. Man spricht daher auch von einer „wertegebundenen“ Grundordnung. Zu der FDGO gehören nur die gänzlich unverzichtbaren Werte.

Das Verfassungsgericht hat insofern drei wesentliche Elemente identifiziert: Die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.

Menschenwürde

Der Kern dieser Grundordnung ist die Menschenwürde. Damit ist gemeint, dass jeder Mensch den gleichen Wert hat, egal wo er herkommt, wie alt er ist, welches Geschlecht er hat, ob er arm oder reich ist oder welche Religion er hat. Jeder Mensch hat eine Würde und wird in seiner Individualität geschützt. Die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) ist der oberste Wert des Grundgesetzes und unantastbar.  Genau deswegen ist sie auch Ausgangpunkt der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Dabei zeigt uns das Wort „freiheitlich“, dass Mittelpunkt der Grundordnung die Freiheit der darin lebenden Menschen ist.  Diese wertgebundene Grundordnung ist also nicht ohne den Menschen und seine Würde begreifbar. 

Demokratieprinzip

Zudem muss die Grundordnung auch demokratisch sein. Demokratie bedeutet – vereinfacht gesagt – Herrschaft des Volkes. Die Bürgerinnen und Bürger übertragen dem Staat Macht, der Staat darf sich die Macht also nicht einfach nehmen. Staatliche Gewalt muss daher stets an das Volk rückgekoppelt sein – das nennt man „demokratische Legitimation“. Unverzichtbar für ein demokratisches System ist daher die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung. Das bedeutet unter anderem, dass es freie und gleiche Wahlen sowie die Möglichkeit freier Meinungsäußerung geben muss.  Oft sagt man, dass ein zentrales Element der Demokratie die Möglichkeit ist, dass aus einer Minderheit wieder einer Mehrheit werden kann. Das Demokratieprinzip, das ebenfalls in unserem Grundgesetz in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG verankert ist, ist daher, neben der Menschenwürde, eines der drei zentralen Elemente der FDGO.

Rechtsstaatlichkeit

Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit ist das dritte Kernelement der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Er ist ebenfalls im Grundgesetz in Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG verankert. Als Teil der FDGO bedeutet Rechtsstaatlichkeit vor allem, dass auch der Staat an Gesetze gebunden ist und unabhängige Gerichte kontrollieren können, ob er sich, wenn er durch seine sog. „Organe“ (also z.B. durch Behördenmitarbeiter:innen, Polizist:innen etc.) handelt, an diese Gesetze hält. Die staatliche, sogenannte „öffentliche Gewalt“ wird daher zum Schutz der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger begrenzt. 

Die freiheitlich demokratische Grundordnung umfasst also die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, wobei die beiden letzteren eng mit der Würde des Menschen verknüpft sind. Spricht man also im Zusammenhang mit Parteiverbotsverfahren oder Grundrechtsverwirkung davon, dass eine Partei oder eine einzelne Person die freiheitlich demokratische Grundordnung bekämpfen oder beseitigen will, dann bedeutet das, dass die elementarsten Werte unseres gesellschaftlichen Miteinanders angegriffen und in Frage gestellt werden.

Dem sollen die Regelungen der wehrhaften Demokratie entgegentreten.